Singen

YAYA bedeutet in der Sprache des Kongo “großer Bruder” – so nannte ihn der Jugendchor des Missionars Alfons Müller, als Beppo 1998 das erste Mal nach AFRIKA reiste. Er folgte den Rhythmen und Klängen der afrikanischen Gospels, die er seit Anfang der neunziger Jahre allen anderen vorzieht.

Als Berthold Theis wurde er ein Jahr nach Kriegsende im Westerwald geboren. Mit 12 Jahren wollte er Priester werden, da hatte er schon 6 Jahre als Messdiener hinter sich. Seine Begeisterung für Salamander und für die Mal- und Musikstunden reichte nicht aus. Er musste zurück ins Dorf und in die Volks- und Handelsschule, damit er statt Priester ein guter Weichensteller bei der Bundesbahn werden konnte. Auch seine bestandene Aufnahmeprüfung an der Kölner Musikhochschule blieb folgenlos, weil er 1968 schon seine Frau und sein erstes Kind ernähren musste. Er sang so oft wie möglich in Chören, auch als Solist und seine Gesangsstunden “bezahlte” er mit Gartenarbeiten. Ausgelöst durch eine schwere Erkrankung konnte er endlich ab 1987 sein Leben grundlegend verändern. Er lebte allein, malte und sang (1), lernte seine zweite Frau – Gisela Gustavus – kennen und entdeckte mit ihr gemeinsam sein Talent, andere Menschen mit dem Singen anzustecken.

Er hat es sich seither zur Aufgabe gemacht, Menschen aller Altersklassen zum Mitsingen zu bewegen. Mit Gospels aus Amerika und mit Volks- und Kinderliedern begann dieser Weg und durch die Begegnung mit Menschen aus Südafrika, dem Kongo und Nigeria führte ihn das Singen zu den Liedern und in die Länder dieser Menschen (2).
In ihnen wird die fröhliche und zuversichtliche Seite des Glaubens betont und Ya’Beppo macht die Erfahrung, dass seine Workshops in Kirchengemeinden, Schulen, Bildungsstätten und Klöstern bei den Teilnehmern Freude, Hoffnung, Zuversicht und Ermutigung bewirken. Eine ganz eigene Methode – Singen ohne Noten und ohne Stress – mit dem ganzen Körper, in fremden Sprachen, in Bewegung und im Rhythmus – haben Beppo, der Autodidakt und seine Frau Gisela, die Grundschul- und Gymnastiklehrerin in den vergangenen Jahren entwickelt – immer zusammen mit den ganz unterschiedlichen Teilnehmern.

Als Höhepunkt des gemeinsamen Singens wird immer ein Gottesdienst oder eine Messe musikalisch gestaltet. Die Gottesdienstbesucher werden in das Singen einbezogen.
Wenn irgend möglich, nehmen Menschen aus Afrika an den Workshops teil – in besonderen Glücksfällen sogar eine afrikanische Gemeinde.

Ya’ Beppo und Gisela Gustavus haben enge Beziehungen zu diesem Kontinent geknüpft und organisieren und fördern dort Projekte zur Selbstentwicklung.

 

WARUM UND WOZU afrikanische Gospelworkshops?

Ende der achtziger Jahre begegneten wir zum ersten Mal afrikanischen Freiheitsliedern und Gospels. Die Bewegung um Mandela (der damals noch im Gefängnis saß) und Bischof Tutu, der den mutigen Menschen, die sich für Freiheit und Gerechtigkeit mit ihrem Herzen, ihrem Glauben und oft auch mit ihrem Leben einsetzten ein “Zuhause ” bot, sie alle fanden Kraft und Schutz im gemeinsamen Singen.

Da gab es Trostlieder für die Gefangenen (Basheli), Klagelieder (Senzenina), Protestlieder gegen die Apartheid (Vula Botha/Akanamandla) – Gospel, der auf die Straßen und in die Homelands gelangte – und von dort wieder zurückkehrte in die Gottesdienste, die den Menschen wiederum die nächsten Handlungsschritte ermöglichten.
Dann wurde in unserem Dorf ein altes Gasthaus zu einem Asylheim gemacht und die Menschen fürchteten sich von den Schwarzafrikanern, die durch die Villenstraßen und den Wald spazierten. Die Menschen aus Afrika fürchteten sich vor den Anschlägen gegen solche Heime und verkrochen sich.

Wir lockten sie mit einigen Liedern aus der Reserve und wir lockten unsere Landsleute mit Beppos (vertrauter) Stimme in die Kirche zu einem Gospelabend. Da trafen sich dann alle unversehens und waren ganz überrascht von soviel Gemeinsamkeit – beten, singen, Kreuz, Vater unser und Songs wie “Kumbaya” und “He’s got the whole world in his hand”. Was heißt das wohl: “ER HÄLT DIE GANZE WELT IN SEINER HAND”??

Und dann kamen einige Menschen aus Ghana, dem Kongo und Nigeria nach vorne. Einer hieß “Loveday” und betete hingebungsvoll in einer geheimnisvollen Sprache, ein Ehepaar aus dem Kongo sang ein trauriges, wunderschönes Lied und die alten Bauern und die ängstlichen Villenbesitzer hatten feuchte Augen. Ja, so fing es an. Und es gibt schöne Geschichten über die verbindende Kraft afrikanischer Gospels – wie ein altes Ehepaar am Heilig Abend zwei große Bleche Kuchen ins Asylheim bringt, wie die Telefonkette zum Schutz des Heims funktionierte u.a.m. Seither singen wir jedenfalls Gospels aus Afrika.

Jeder Workshop endet mit einem Gottesdienst oder einer Messe, manchmal laden uns auch afrikanische Gemeinden ein. Wenn wir in Schulen (1) diese Lieder weitergeben, finden die Proben und ein abschließendes Mitsing-Konzert für die Eltern ebenfalls in der Kirche statt. Das gemeinsame Singen ist das Ziel – am allerliebsten mit unseren Freunden aus Ghana, Nigeria, Kongo, oder mit spontanen Gästen aus einem afrikanischen Land.

So kann jeder diesen Kontinent hautnah spüren, die Sprache, den Klang, den Rhythmus, die Kraft und die unglaubliche Freude, die von einem unbeschwerten Singen ohne Noten ausgeht. Die Freude, die ich beim Singen weitergebe – ausstrahle – sie ist die Messlatte, mit der in Afrika über “gutes Singen” entschieden wird.

Mit Musik wird gerade überall auf der Welt in vielen Konzerten auf den afrikanischen Kontinent und unsere Verantwortung hingewiesen, auf die Notwendigkeit zu teilen, was uns gegeben und anvertraut wurde – uns zu bescheiden. Wir bedanken uns auch jedes Mal für das Geschenk der Klänge und Rhythmen, wir unterstützen Projekte für einen jungen Chor in Kinshasa (Kongo), für jugendliche Aids-Aufklärungsarbeit in Swaziland und in Südafrika, für eine Dorfschule und eine Krankenstation im Kasai/Kongo. Das alles bewirkt die Musik, bewirken die Gospels dieser gottesnahen Menschen(2).

Es entsteht eine tiefe Verbundenheit aus der Achtung, Toleranz und ein weites Herz – wie von alleine wachsen. Unser Glaube wird gestärkt, die Zweifel schmelzen dahin – oder treten ganz einfach in den Hintergrund. Auf jeden Fall scheint die Distanz zu Gott kleiner zu werden, weil das Singen dieser afrikanischen Gospels eine unsichtbare Brücke zu bauen scheint zwischen IHM und uns.

Viele afrikanische Gospels haben einfache Refrains mit kurzen Texten. Sie werden – wie in Taizé – lange und nach und nach mehrstimmig gesungen und immer ohne Noten. Jeder kann sich mit seinen Fähigkeiten einstimmen lassen – die Gruppe bestimmt jeweils, wie viele Stimmen sie sich zutraut. Menschen mit viel Singerfahrung können die anderen beim Finden einer Ober- oder Unterstimme unterstützen. Da alle Gospels auch gesungene Gebete sind, können sie beim Singenden Kraft und Hoffnung auslösen, manchmal auch Tränen und Traurigkeit, Mitleiden und Einfühlen und sehr oft eine ganz tiefe Freude.

Gottesdienst ist in Afrika – wie in Taizé – ein zu sich selbst und ein zu Gott kommen – sich finden, unverstellt, Gott finden. In Afrika – wo Klage und Verzweiflung die Nähe zu den Leiden Jesu nahe legen würden, ist diese Beziehung in den meisten Liedern voller Dankbarkeit, Freude und Liebe. Darin liegt die eigentliche Kraft, die wir beim Singen spüren. Wenn unsere afrikanischen Freunde dies dann noch mit Tanzen und Trommeln verstärken, können wir gemeinsam unserem Leben aus dem gesungenen Glauben wirklich Gestalt geben.

 

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1) s. Enja Riegel, u.a., DAS ANDERE LERNEN, Die Helene-Lange-Schule
S. 170 f, u.S.362 und E. Riegel, Schule kann gelingen, S.54-56
2) Eine Frau ging montags nach dem afrikanischen Gospelworkshop zu ihrem Chef und bat ihn um Versetzung, weil sie nicht sonntags mit Afrikanern singen und sie montags ausweisen könne.

Das Singen der afrikanischen Lieder ist deshalb so mitreißend, weil
1. die Texte erst mal nicht jeder versteht, und man nicht zuerst am Text klebt
2. die Sprachen z.B. lingala (Kongo) oder ibu (Nigeria) so gut und singbar klingen wie etwa italienisch
3. die Gospels haben meist einen kurzen Refrain und dieser kann immer bunter gestaltet werden mit Mehrstimmigkeit, mit Reinsingen, mit Gegengesängen.
4. die Strophen kann man leicht mit deutschen Texten ergänzen.
5. der Rhythmus ist das Allerwichtigste. Er ist das Fundament aller Popmusik. Wenn man erst mal den Song in den Füßen hat geht es endlos weiter.

Unser Weg zu diesen Liedern ist auch über die Klassik, den modernen Kirchengesang, die amerikanische Gospelwelt, gelaufen.
Um den Liedern und den Gefühlen näher zu kommen, haben wir viele Afrikareisen unternommen bis tief in die verschiedenen Glaubensgemeinden hinein.
Doch um den Trance zu spüren, der oft bei den Gesängen auftritt, fehlt uns noch viel, viel mehr hineingehen in den Rhythmus und in den Glauben.
Dass das Singen zu Gott doppeltes Beten ist, spürt und sieht man in den afrikanischen Chören und auch in den schwarzen amerikanischen Chören.

 

“Von den Liedern kriegt man oft Ohr-Würmer!”
Afrikanische Gospels in der Schule
Von Gisela Gustavus

Wir kennen das. Es geht uns ja selbst so. Jedes Mal, wenn wir – in Afrika oder hier – ein kleines eingängiges Lied hören und es uns merken wollen. Dann haben wir einen Ohrwurm. (1)
Damit stecken wir gerne ganze Schulklassen aus der Unter-, Mittel- oder Oberstufe an. Auch Kindergärten schmettern die afrikanischen Gospelsongs mit Inbrunst. Der Ort des Geschehens ist immer eine Kirche. Dorthin gehören diese Lieder, dort klingen sie und dort genießen die Schüler den Schutz und die Stille.
Angefangen hat alles in den späten achtziger Jahren – da ist eine Bremer Grundschullehrerin einem leidenschaftlichen Sänger begegnet. Den schleppte sie ab und zu in ihren Unterricht, weil ihr das Singen mit den Kindern nicht immer so recht gelingen wollte.

Wenn Beppo (2) dort seine tiefe und unüberhörbare Bassstimme erschallen ließ, war zunächst gebannte Ruhe, sprachloses Erstaunen und dann Prusten und verlegenes Lachen angesagt. Singen ist für Kinder auch peinlich und ungewohnt. Wenn sich dann ein Mann auch noch dabei bewegt, gestikuliert, das ganze Gesicht verzieht und seine Gitarre bearbeitet – dann wird es schon mal “megapeinlich.”

Wie geht es aber jetzt weiter? Als (ungelernte) Musiklehrerin, deren Traum vom täglichen Singen nie aufgegeben, aber doch oft gebremst wurde, rückte ich an diesem Punkt manchmal von meinem Vorhaben ab. Ich fühlte mich zu unsicher. Beppo dagegen “springt mitten rein” in den “Knoten” aus Ablehnung, Distanz, Misstrauen und unangenehmen Gefühlen. Er beginnt einfach mit lustigen Stimmübungen, Rhythmen und Bewegungen, mit Klatschen, Stampfen, Rufen, Flüstern, Schütteln…. kurz mit allem, was i h m gerade gut tut (während ich immer noch mit dem “erwarteten Schülerverhalten” zu kämpfen hatte).

Nahtlos geht das lebhafte “Aufwärmen” in das erste Lied über. Wir haben große Papptafeln im Gepäck. Eine wird auf den hohen Notenständer gestellt. Einer von uns ruft: By – na – mo (call) und alle wiederholen By na mo (response). Das Lied kommt aus dem Norden von Kamerun und bedeutet “Ich und Du”.

Zuerst “schmecken” wir den Text und kauen ihn durch, bis er richtig gut mundet. Fremd, aber gut. Wenn die fremden Wörter gleich rhythmisch ausgesprochen werden, ist das Behalten einfacher. Darum bewegen wir gleichzeitig den Text mit dem ganzen Körper. Es ist so, als ob wir im Wasser stehen und die Wortgebilde vor uns hin- und herwogen. Kinder lernen die verschiedenen afrikanischen Sprachen (wie z.B. Lingala, Kisuaheli, Zulu oder Yoruba etc.) so schnell, wie sie Memory spielen. Da verlieren wir auch immer.

Dass Kinder gerne in fremden Sprachen singen, hatte ich oft beobachtet. Wir sangen in meiner Klasse am liebsten italienisch, türkisch oder englisch. Französisch setzte sich nur mit “Frère Jacques” und “Sur le pont” durch. Die älteren Kids haben einen unheilbaren Drang zum Englischen, aber “Afrikanisch” (allein Nigeria kennt 2OO verschiedene und sehr unterschiedliche Sprachen) wird meist mit einer gewissen Neugier akzeptiert.

Nicht von allen. Unbewusst spüren die meisten Kinder, dass ihre Kehle etwas mit ihrer Seele zu tun hat (es gibt Sprachen, die für b e i d e s das gleiche Wort haben). “Die Stimme hat keine Kleider” sagt ein Sprichwort. Daher brauchen Menschen zum Singen im Chor viel Vertrauen.

Fehler werden deshalb einfach ignoriert. Das Hin- und Zuhören aber gefördert und gefordert. Das verlangt die Bereitschaft und den Willen, etwas Ungewohntes, wenig Anerkanntes auszuprobieren. Bevor sich Schüler auf dieses Abenteuer einlassen, können sie es in einer Schnupper-Stunde erleben. Erst danach folgt die Entscheidung für oder gegen das Singprojekt.

Wir wünschen uns auch, dass die Klassen- und Musiklehrer (3) am Projekt teilnehmen. Die erlernten Lieder bleiben so in der Schule, werden weiter gesungen und verbreitet, und bei Feiern und Festen wiederholt.

Wir hatten Lehrer/innen dabei, die uns mit Trommeln, Percussion, Klavier und sogar auf der Orgel begleitet haben. Die Schüler genießen diese Form der Anerkennung.
Das Ziel jedes Sing-Projektes ist eine Aufführung der Gospels. Sei es, weil die Schule eine Partnerschaft zu Afrika pflegt, sei es, weil Projektwochen, Benefiz-Veranstaltungen, Weihnachten oder Ostern vor der Tür stehen – Anlässe für ein Vorsingen lassen sich immer finden.
Ein Prinzip unserer Schul-Arbeit ist auch das Aufzeichnen der Vorführung auf CD. Dazu gibt es ein Textheft und so erinnern sich Schüler und Lehrer noch Jahre später an ihre Lieblingslieder. Manchmal nutzen wir auch Playbacks, um die Motivation der Schüler zu steigern. Lieder wie “Oh happy day”, “This little light”, “Knocking on heavens door” oder “We are the world” haben wir erfolgreich ausprobiert. Auch die Begleitung durch eine Schulband oder eine Trommelgruppe ist denkbar und bereichernd.

Begeistert setzen die Kinder am Ende ihr Talent SINGEN für andere ein –

“Ich weiß jetzt, dass aus meiner Kehle Töne kommen. Ihr habt mir gezeigt zu singen. Danke!” (1)

(1) Ein Zwölfjähriger aus der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden schrieb uns sein Erlebnis vom Singen und vom Ohr-Wurm. An dieser Schule haben wir zahlreiche Singprojekte durchgeführt. ENJA RIEGEL: Schule kann gelingen, S.54-56 ; dieselbe: Das andere Lernen, S.17O f und S.362
(2) Seit unserer Kongo-Reise 1998 nennt Beppo sich YA’BEPPO, denn das bedeutet “großer Bruder” und der Chor in Kinshasa schenkte ihm diesen Namen.
(3) Kontakt: www.yabeppo.de